Herrliche Mittagszeit. Alle Becher sind verteilt. Herunterfallende Becher aufgehoben. Besteck ist ausgeteilt. Streit um Sitzplätze („Iiich wollte aaaber neben Laura siiiitzen!“) geklärt. „Miteinander essen, das kann schön sein. Froh zu Tische sitzen, lieben wir. Gaben lasst uns teilen, und auch noch verweilen. Schön, dass wir zusammen sind, schön, dass wir zusammen sind.“ Meine Kollegin, deren Fehlen selbstverständlich postum kommentiert wird, verabschiedet sich in die Pause. „Wo Tiiin?“, sind die Kinder nicht ganz damit einverstanden, dass sie anderswo isst, als mit ihnen zusammen. Ich verzichte darauf, ihnen zu erklären, dass auch ein Erzieher-Magen es nötig hat, das Essen nicht herunterzuschlingen. Wir wollen ja verhindern, dass sie sich am noch so kleinsten Happen verschluckt, weil eine Wasserkanne neu aufgefüllt werden will oder der dritte Teller voller Suppe gefährlich schwankt.
Kinder verarbeiten Geschehnisse langsamer, brauchen Zeit zum Verstehen, Wiederholen, Sackenlassen, mehrmaligen Aussprechen des Erlebten. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sie gern und oft auf alles hinweisen, was um sie herum passiert. Es könnte ja sein, dass der Erzieher es nicht mitbekommt (obwohl er direkt danebensteht). So auch heute. Ich gebe bereits dem zwölften Kind eine kleine Kelle leckerer Reis-Möhren-irgendwas-Grünes-Suppe auf den Teller mit den Worten „Vooorsichtig, halt den Teller schön gerade, da ist Suppe drauf…nein, mit beiden Händen!...Vorsicht, langsam laufen!!!...SCHAU NACH VORN!!!...“, als Dominik vom Tisch aus verlauten lässt: „Oh…das war die Kanne…“ und stumm von mir zu der großen Wasserpfütze vor sich und wieder zu mir guckt. Glücklicherweise ist er groß genug, um auf der Spüle nach dem Lappen zu greifen. Nach dem blauen. NEIN, nicht den Bodenlappen. Unglücklicherweise ist nach seinem Wischvorgang aus dem kleinen Tümpel ein See geworden inklusive Wasserfall auf den Boden. Zwei Reis-Möhren-irgendwas-Grünes-Suppenkleckse auf dem Boden und einen kaputten Teller später strahle ich die Kinder an, weil sie so fröhlich schlemmen. Und sie strahlen zurück und schlemmen fröhlich weiter. Bis Joscha schwappert und sich den Arm verbrüht mit der heißen Suppe. Tatüütataa, der Rettungssanitäter ist da (das bin ich). Schneller Einsatz unter dem eiskalten Wasserstrahl und Kühlverband anlegen. Kühlakku mit obercooler blauer Bandage. Er will ja schließlich noch weiteressen. Ich bin so stolz auf den tapferen Helden! Wie war das mit dem Verarbeiten? Obwohl die gesamte 18-köpfige Kinderschar Zeuge des Malheurs mit dem Suppenteller wurde, wird das alles (neben Essen nachholen, Teller wegbringen und Rest wegschütten wollen, weil es ja noch Nachtisch gibt, Tellerinhalt doch aufessen, weil der Nachtisch ja auch keinen Platz im Bauch hat, wenn die Suppe nicht mehr reinpasst) nochmal aufgearbeitet. „Warum hat der Jossa sich verprügelt?“ Warum war die Suppe heiß?“ „Warum die Suppe auf den Arm…?“… Der perfekte Zeitpunkt, um kurz ( ! ) zu erinnern, dass wir essen, wenn wir essen, und reden, wenn wir reden, und auch mal Quatsch machen können. Denn Quatsch machen macht Spaß (allgemeine Zustimmung durch strahlende Gesichter und bekräftigendes Nicken). Aber nicht, wenn wir essen. Prompte Unterstreichung meiner kleinen Rede durch Pauls Beitrag mit wichtigem Gesicht: „Das is nämich nich uuurlaubt!“ Jawoll, danke. Haben alle Kinder genug getrunken? Ja. Können die Kannen weg. „Ich woooollte aaaaber noch was triiiiinkng!“ 18 Badprozeduren mit „Ja, du darfst ins Bad gehen…und Spülen nicht vergessen!...Ja, alle Kinder gehen pullern vor dem Schlafen, auch du…“, „einmal Seife reicht“ (wie gemein, der Schaum ist doch so schön und „Aber Kamaaaris, iiiich hab das nich gemacht!“) und viermal „Ich hab detattat“ später können wir auch endlich das Bad für die Vorschüler räumen.
„Tuff tuff tuff, die Eisenbahn, wir wollen in den Schlafraum fahr’n. Alleine fahren woll’n wir nicht, drum nehmen wir alle Kinder mit.“ Auf dass gleich die Mittagsruhe beginnt. „Ja okee, da gehst du nochmal auf die Gartentoilette, wenn du ausgezogen bist…aber leise…und langsam, die Krippenkinder schlafen schon.“ Wieder bekräftigendes Nicken. Und looos geht der Düsenjet Richtung Gartentoilette. „LEISE!“ Als ich nach ein paar Minuten nach dem Rechten schaue, sind mehrere Schaulustige um die Toilette versammelt. Die auch nochmal müssen. Weil „oben kam nix“. Max eilt mir hinterher und drückt mir mit seinem mitfühlend schüttelnden Kopf und der Aussage „Nee nee, so ein Theater wieder!“ wohl sein Verständnis aus. Endlich liegen alle Kinder im Bett, eingepackt unter Mickey-Maus- und Raketenmuster-Flauschedecken. Gute Nacht. Schlaf schön. Kuschel dich ein mit dem Teddy. Gute Nacht. „Feeeuerweeehrmann Saaaam…“ PSST. Gute Nacht. Schlaf schön.
Herrliche Ruhezeit. Vielleicht sollte ich wirklich als gutes Vorbild als Erste einschlafen. Wie ich meine Drei-bis Fünfjährigen kenne, würden sie mir sogar die Schuhe ausziehen. Sonst wird doch die Matte dreckig! Alexander würde sogar eine Decke bringen, wie er sonst auch meine Schuhe mit einem „Biiitte!“ vor mir abstellt, damit ich sie nicht selbst holen muss. Vielleicht würden sie mich sogar wachkitzeln. Nein, lieber nicht. Eine Viertelstunde schlafende Kinder, genial, bevor wir eine ganze rote E-Lok-Ladung voll Aufweck-Experimente starten: ein Bagger, der Lotta hochzieht. Ein Dieb, der die Bettdecke wegschnappt. Sanftes Streicheln. „Guten Morgen, guten Morgen, die Nacht ist verronnen…“. Den Siegespreis heute kriegt allerdings meine Kollegin, die es schafft, eine wirklich harte Nuss zu knacken. Denn sie hält den wunderschönen Glitzerpailettenpullover hoch. „Ist das eigentlich ein Tiger da drauf oder was ist das?“ Zack, öffnen sich die großen Kulleraugen des nicht aufstehen wollenden Mädchens von semi zu weit aufgerissen und schon tönt es aufgeregt-entrüstet: „Neein, das ist doch ein Leopard!“ Ach so, natürlich. Verschwörerisches Kolleginnen-Zwinkern. Ich habe natürlich nicht richtig aufgepasst und werde nach meinem „Du kannst den schönen Dalmatinerpullover jetzt anziehen“ prompt korrigiert, denn das ist kein „Mamatiner“. Ups. Endlich geschafft, alle wieder hoch.
Herrliche Vesperzeit…
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