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HERZieherin

Nur noch ROT sehen

Eigentlich hatten die „Großen“ die dicken Papprequisiten für die baldige Osterfeier anmalen sollen. Zumindest war es ursprünglich so geplant. [Kleiner Einschub an alle Leser: Wo ist der Fehler? Richtig, mit einem Plan ist es immer so eine Sache…] Ein Plan funktioniert richtig gut! Jedenfalls im Kopf. Bei der Umsetzung wird es dann allerdings zuweilen etwas problematisch. Wenn man Eines bei der Arbeit mit Kindern lernt, dann ist es Flexibilität. Spontanes Handeln. (Na okee, auch noch Geduld und Langmut und euphorisches Loben und viele weitere tolle Dinge.)

Es ist kurz vor Ostern. Meine Kollegin und ich hatten uns SO SCHÖN überlegt, wie wir diese ganz besondere Zeit den Kindern erlebbar machen wollen. Einen Ostergarten gestalten. Ein Lied für die Osterfeier einstudieren und Schilder für die theatralische Untermalung basteln. Fingerspiele, Bibelgeschichte, Jesu Einzug in Jerusalem als Fensterbilder basteln. Ostergras in kleine Glasschälchen säen und mit einem bemalten Ei verzieren und als Mitbringsel für die Eltern präsentieren. Hach prima. Und dann macht uns krankheitsbedingter Ausfall und situationsorientiertes Handeln einen Strich durch die Rechnung – Ä T S C H E B Ä T S C H. OH, es ist ja schon so spät und ich dachte, Ostern wäre noch weiter hin…Nun, das Lied. Welche Strophen nochmal? Schade, dass die Kinder nicht einfach vom Blatt ablesen können…ach MIST, wir wollten doch die Schälchen bepflanzen! Wo sind eigentlich die ganzen Gläser? Ah ja, da. Wieso haben wir nur noch zwölf, die Kiste war doch voll?!

Das mit dem Lied wird immer besser. Jetzt singen die Kinder sogar immer deutlicher „Halleluja“ und nicht mehr „Hallo Julia“ oder „Hajula“ oder so etwas in der Art. Gläser bepflanzen fällt jetzt ins Wasser. Aber wir haben auf dem Fensterbrett noch ganz viele…ähm tolle…SELBSTbemalte Eierkarton-Blumen übrig. Herrlich, dann nehmen wir die. Nur mit dem dünnen Holzstiel, da müssen wir uns was überlegen, der hält nicht so richtig. Hat die Blume einen Knick, war der Schmetterling zu dick. Weil die Blume ist zu schwer, kann der Stiel nun auch nicht mehr. Mit Heißkleber hält er – bitte sehr! SO, noch ein paar grüne Blätter ankleben…annnnndersrum! (Ich überlege, mein nächstes Kinderbuch darüber zu schreiben, wie man kindgerecht und LUSTIG die Benutzung, Handhabung und sorgfältige Aufbewahrung eines Leimstifts erklärt...) FERTIG! Es ist ein sehr effizienter Spontaneinfall, die jüngeren Kinder in die Garderobe zu schicken – Konzentrationsspanne und so – während die älteren noch bleiben und die Requisiten aus Pappe anmalen sollen…ich meine wollen. Erst das Herz. Mit Rot. Faszinierend, was so alles in einem Moment kurzen Wegschauens passieren kann. Valerie jammert, dass die Farbschüssel leer sei, also hole ich die Flasche, und kaum drehe ich mich wieder zu ihnen, sind die Wachstuchdecken komplett verrutscht, Nadine hat rot „lackierte“ Fingernägel und Timon, Rico und Julian haben statt des Herzes SICH die Haare gefärbt. Einatmen, ausatmen. Einatmen, ausatmen. Wenigstens gucken sie ein bisschen bedröppelt. Ich schicke die Jungs zum Waschen – Ausmalen ist vorbei. Nun assistieren sie mir beim Zerreißen der zerknautschten Pappkartons in winzig kleine Konfettischnipsel. Was übrigens eine prima Interventionsmaßnahme ist für aggressionsbedingte Stressminimierung ist. Zack, Geld für den Aktenschredder gespart. Die verbliebenen Kinder, die scheinbar mit ihrer Naturhaarfarbe zufrieden sind, warten ungeduldig auf die braun angemischte Farbe und stochern derweil mit ihren Pinseln auf dem Pappkreuz herum. „Das Braun ist gleich fertig – LASST BITTE DAS KREUZ HEILE!“…“MAMARIS! ALEX HAT DAS KREUZ KAPUTTGEMACHT!“, verkündet Nadine anklagend und demonstriert mit den Fingern die kaputte Stelle. Einatmen, ausatmen. Einatmen, ausatmen. Es tut gut, dieses Pappe-Zerreißen…



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